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Cannabis im Fokus der Forschung – sein Comeback an den Universitäten

CBD Forschung
Die Vorreiter Neuseeland, die USA, Australien, die Schweiz und langsam auch Deutschland zeigen wohin die Entwicklung geht. Die Cannabis Industrie, vom Landwirt über den Wissenschaftler bis hin zum spezialisierten Rechtsanwalt, benötigt Fachleute – es bietet sich eine riesen Chance.

Das Studium "Cannabis"

Marihuana im Hörsaal? Was vor Jahren noch undenkbar erschien, wird an den ersten Universitäten langsam Wirklichkeit. „Cannabis“ kann man studieren, und das ist gut so, denn mit der Rehabilitierung dieser wertvollen und vielseitigen Pflanze – ob mit oder ohne THC – eröffnen sich unzählige Fragestellungen, die erforscht, beantwortet, gelehrt, in Studien erprobt und publiziert werden müssen: Vom Anbau bis zur Anwendung, von rechtlichen Fragen über wirtschaftliche Aspekte bis zu einer wieder sichtbaren Präsenz und breiten Akzeptanz der Hanfpflanze in der Bevölkerung. Es braucht dringend Ausbildungsmöglichkeiten in den verschiedensten Fachgebieten für alle, die vom Hanf überzeugt sind und mit zu seiner alten neuen Bekanntheit beitragen wollen. 

Science of Medicinal Cannabis - Neuseeland zeigt, wie`s geht!

Die Auckland University of Technology (AUT), eine der führenden Universitäten Neuseeland`s bietet seit Juli 2020 Studierenden mit einem Bachelor-Abschluss den ersten Master-Studiengang zu medizinischem Cannabis an. Auf der Basis laufender Forschungen über den Anbau, die Extraktion und Entwicklung von Präparaten aus medizinischem Hanf gibt der Kurs einen allgemeinen Überblick über Chemie und Pharmakologie. Es geht um die Geschichte und die Gesetzgebung rund um medizinischen Hanf, seine Botanik einschließlich der Züchtung und den Anbau unterschiedlicher Cannabis-Sorten. Die Studenten lernen die Cannabinoide, ihre Extraktion, Analyse, medizinische und kosmetische Verwendung sowie ihre Wirksamkeit im Zusammenspiel mit unserem körpereigenen Endocannabinoid-System und Organen wie der Haut kennen. Sie erfahren ganz praktisch, wie medizinische Cannabisprodukte entwickelt und dosiert werden und bekommen einen Einblick in die wirtschaftlichen Strukturen der Cannabis-Industrie. Die Aussichten auf einen Arbeitsplatz sind vielversprechend, der AUT-Forschungspartner ZeaCann ist überzeugt, dass es eine Menge qualifizierter Fachleute braucht. Im Rahmen ihrer Forschungspartnerschaft kann ZeaCann sein umfangreiches Netzwerk von Industriepartnern, globalen Experten und Branchenakteuren bereitstellen, zu denen Züchter und Botaniker, Landwirte, Verarbeiter und Apotheken gehören. Das Programm soll 2021 durch weitere Kurse ergänzt werden, unter anderem auch mit Modulen, die von Studenten im Bachelor-Studiengang belegt werden können.

Cannabis-Uni´s in den USA

Auch in Amerika ist Cannabis an Universitäten schon lange kein Tabu-Thema mehr. Die „Cannabis Chemistry“, das heißt alles rund um die chemischen Eigenschaften der in der Hanfpflanze enthaltenen Substanzen, gehört zu den am schnellsten wachsenden Industriezweigen in den USA, verbunden mit vielfältigsten Beschäftigungsmöglichkeiten im technologischen Bereich und im Gesundheitswesen.
Die University of Maryland in Baltimore hat mit ihrer „School of Pharmacy“ bereits im Sommer 2019 einen neuen Master-Studiengang in „Medical Cannabis Science and Therapeutics“ gestartet, in dem das Wissen und die praktischen Fähigkeiten für die Arbeit in der medizinischen Cannabis-Industrie, der Forschung  und der Behandlung von Patienten vermittelt werden. Mit einem Bachelor-Abschluss kann man sich für das zweijährige Programm bewerben, das an den Universitäten in Shady Grove in Rockville stattfindet. Angesprochen sind aber nicht nur Studenten, sondern auch Ärzte, Pflegepersonal und Apotheker, Wissenschaftler und Behörden sowie Fachleute aus Politik und Industrie. Die Legalisierung von medizinischem Cannabis in immer mehr Bundesstaaten schafft einen großen Bedarf an qualifizierten „Hanfexperten“, die sowohl wissenschaftlich als auch therapeutisch gut ausgebildet sind. Der Studiengang behandelt die ganze Themenbreite rund um medizinisches Cannabis – Grundlagenforschung, klinische Nutzung und Nebenwirkungen, politische und rechtliche Aspekte, vermittelt in Expertenseminaren und Fallstudien und durch die Teilnahme der Studierenden an wissenschaftlichen, medizinischen und gesundheitspolitischen Diskussionen. Sie sind nach Abschluss des Programms in der Lage, Therapiepläne mit medizinischem Cannabis für geeignete Patienten zu erstellen, in Forschungsprojekten mitzuwirken, die sich mit dem gesundheitlichen Potential der Cannabinoide befassen, sowie in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der Cannabis-Thematik mitzuwirken. 
Die Lake Superior State University in Michigan bietet seit 2019 den ersten „Cannabis Chemistry“-Studiengang in den USA an, der sich mit der quantitativen Analyse der Cannabinoide wie CBD und THC, den Terpenen und weiteren Inhaltsstoffen in der Hanf-Pflanze befasst. Studierende mit einem Bachelor-Abschluss können sich mit diesem Studiengang für ein American Chemical Society (ACS)-Diplom qualifizieren. Sie erhalten ein solides Grundwissen in organischer Chemie, Biochemie und analytischen Verfahren und erlernen in zahlreichen praktischen Laborstunden anhand von frischem Pflanzenmaterial die industriellen Standards der Analyse, Extraktion und Separation der Inhaltsstoffe in der Cannabis-Pflanze. Die Qualifikation eröffnet hervorragende Berufsaussichten im Bereich Recht und behördliche Verwaltung, im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft. Den vielseitigen wirtschaftlichen Aspekten rund um die zunehmende Legalisierung und wachsende Industrie von medizinischem Cannabis widmet die Lake Superior State University mit „Cannabis Business“ einen weiteren Bachelor-Studiengang. Ausgebildet werden zukünftige Unternehmer, Manager sowie Führungs- und Entwicklungskräfte in Wirtschaftsunternehmen und der Studiengang vermittelt alle Fähigkeiten, die es braucht, um ein eigenes Cannabis-Unternehmen zu gründen, aufzubauen und zu führen.

Hanafsan / Hanfpflanze CBD Strukturformel

Weltweit (noch) einzigartig – die erste „Cannabis Universität“ im kalifornischen Oaksterdam

An der erst 2007 gegründeten Oaksterdam University werden die Möglichkeiten von Cannabis im Arzneimittel-Bereich intensiv wissenschaftlich untersucht und in einem breiten Kursangebot alle Aspekte rund um den legalen Anbau, die Nutzung und wirtschaftliche Bedeutung von Cannabis gelehrt. Ihr Präsident ist der Hanf-Aktivist Steve Lee.
Der sechsmonatige Online-Kurs „Business of Cannabis“ richtet sich an alle, die in der Cannabis-Branche tätig werden oder ein Unternehmen gründen wollen. In zahlreichen Modulen deckt der Kurs eine Vielzahl von Themen rund um die Hanfpflanze und die mit ihr verbundenen betriebswirtschaftlichen Aspekte ab: Von einem historischen Überblick über den Konsum von Cannabis bis zur heutigen politischen und rechtlichen Situation, von der Extraktion der Cannabinoide, der Herstellung von Cannabis-Produkten wie Cannabis/CBD -Kosmetiak und deren Anwendung aber auch Wirkungsweise im menschlichen Endocannabinoid-System. Und darüber hinaus werden die  Voraussetzungen für einen kommerziellen Cannabis-Anbau und die Ökonomie der Cannabis-Märkte vermittelt verbunden mit der Erstellung eines konkreten Businessplan inklusive Geschäftsmodell, Finanzierungsmöglichkeiten, notwendige Lizenzen und Genehmigungen. Das vierzehn Wochen umfassende „Gartenbau-Semester“ wird von Branchenführern und professionellen Züchtern geleitet und bietet eine umfassende Ausbildung im Indoor- und Outdoor- Anbau von Cannabis: Es beinhaltet die Anatomie und Physiologie der Cannabis-Pflanze, ihre Samenvermehrung, die verschiedenen Sorten mit ihren Wachstumsbedingungen und Ansprüchen an den Boden, Nährstoff- und Wasserbedarf, Schädlingsbekämpfung, die Ernte und Verarbeitung sowie notwendige Labortests.
Um den Anbau von medizinischem Cannabis geht es auch in dem für alle zugänglichen Online-Kurs, der an der Universität von Connecticut angeboten wird: „Horticulture of Cannabis – from Seed to Harvest“ gibt einen Überblick über den gesamten Wachstumszyklus von Cannabis-Pflanze und basiert unter anderem auf Forschungen, die im Department of Plant Science and Landscape Architecture der Universität von Connecticut durchgeführt werden. Die Studierenden sollen mit dem Wissen, sowie den praktischen Erfahrungen und Fähigkeiten ausgerüstet werden, die es in der sich schnell entwickelnden Cannabis-Industrie braucht. Die Vorlesungen konzentrieren sich auf den Indoor- und Outdoor-Anbau von Cannabis mit seinen unterschiedlichen Anforderungen, die Saatgutproduktion und Vermehrung von Klonen aus Stecklingen. Außerdem werden spezielle  Produktionstechniken für Cannabis u. a. zur Maximierung des Cannabinoidgehalts sowie die Ernte und THC-Extraktion thematisiert. Die Studierenden aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen können in den verschiedenen Arbeitsbereichen und Einrichtungen Praktika absolvieren. 

Cannabis „Down Under“

Die im Norden des Bundesstaates New South Wales gelegene „Australian Cannabis University“ hat sich den Einsatz für die Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis und die Akzeptanz ihrer vielfältigen medizinischen Anwendungsmöglichkeiten auf die Fahnen geschrieben. Als gemeinnützige private Bildungseinrichtung 2017 gegründet, will sie den Studierenden umfassendes Wissen über Cannabis vermitteln, wobei die vielfältigen gesundheitlichen Vorteile und medizinischen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis im Vordergrund stehen. Da es der Einrichtung noch nicht möglich ist, eine national anerkannte Akkreditierung anzubieten, können die Interessierten bisher hauptsächlich persönlich profitieren.

Cannabis als Medizin? – eine beginnende Annäherung, auch in Deutschland und der Schweiz

Die Universität Hohenheim in Stuttgart hat 2019 ein internationales Cannabis-Forschungsnetzwerk ins Leben gerufen, in dem Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Deutschland und Kanada gemeinsam daran arbeiten, Cannabis ohne Rauschmittel-Eignung für den Markt zu erschließen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) gefördert und von der Universität Hohenheim koordiniert. Das Potential der Phytocannabinoide für die Medizin, Ernährung und Körperpflege wird heute wieder neu erkannt. Allerdings fehlt es auch in Deutschland häufig noch an Wissen und Erfahrungswerten, beispielsweise wie verschiedene genetische Sorten in unserem Klima gedeihen oder welche technischen Voraussetzungen man für größere Ernten von medizinischem Cannabis benötigt. Für die Forschung und Unternehmen soll es eine Win-Win Situation sein. Der Handel ist auf das nötige Wissen und den Zugang zum Pflanzenmaterial angewiesen, wogegen die Forschungseinrichtungen Informationen von den Unternehmen brauchen, welche Produkte in Planung und gewünscht sind, um die geeigneten Cannabis-Genetiken zu entwickeln. Ein enormer Wissenszuwachs ergibt sich aus der Zusammenarbeit mit den kanadischen Partnern, da Cannabis dort schon deutlich länger thematisiert wird, verbunden mit einem großen Vorsprung an Erfahrungen. 
Die Uni Hohenheim forscht und experimentiert im Bereich Anbau, Züchtung sowie der Weiterentwicklung cannabinoidreicher THC-armer Cannabis-Genetiken, die im mitteleuropäischen Klima gedeihen. Dafür braucht es Erkenntnisse darüber, wie verschiedene Sorten auf unterschiedliche Standortbedingungen wie Sonneneinstrahlung, Bewässerung und Düngung reagieren und sich in ihren Inhaltsstoffen unterscheiden. Ziel ist es, dass die Forscher Züchter und Unternehmen in Zukunft beraten können, welche Sorte sich für welches Produkt am besten eignet und dementsprechendes Saatgut zur Verfügung stellen.
Der Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik an der Universität des Saarlandes führt seit 2019 ein langfristig angelegtes empirisches Forschungsprojekt über die ärztliche Verschreibungspraxis von Cannabisblüten in Deutschland durch, mit dem Ziel, den bundesweiten Bedarf und damit den Markt für medizinisches Cannabis genauer einschätzen zu können. Das Projekt soll durch einen verbesserten Wissensstand zu einer Optimierung der aktuellen staatlichen Herangehensweise an das Thema „Cannabis als Medizin“ in Deutschland beitragen, denn kaum eine Therapieform wird so kontrovers diskutiert wie die seit 2017 erlaubte Behandlung von schwer erkrankten Patienten mit Cannabis.
Auch die Universität Bern in der Schweiz beschäftigt sich bereits an zwei Instituten mit der Grundlagenforschung über die Wirkung von Cannabis, am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (gesundheitliche und soziale Auswirkungen des Cannabis-Konsums) und am Institut für Biochemie und Molekulare Medizin (Grundlagenforschung). Außerdem gehört die Forschung zu Cannabis zum Themenbereich der pharmazeutischen Biologie. Im Rahmend der Entwicklung eines neuen Pharmazie-Studienganges wurde 2019 die Schaffung einer Professur im Bereich „medizinische Cannabisforschung“ oder einer anderen Forschungsstelle auf diesem Gebiet geprüft. Die Realisierung wäre allerdings nur mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel durch die Kantonsregierung möglich gewesen, die allerdings nicht bewilligt wurden. Für einen weiteren Ausbau der Cannabis-Forschung an der Universität Bern hätten damit bestehende Mittel umverteilt werden müssen, was zu Einbußen in anderen Forschungsgebieten geführt hätte.


Quellen:
www.news.aut.ac.nz
www.zeacann.com
www.umaryland.edu
www.pharmacy.umaryland.edu
www.lssu.edu
www.oaksterdamuniversity.com
www.uconn.edu
www.australiancannabisuniversity.org
www.agrar.uni-hohenheim.de
www.uni-saarland.de
www.unibe.ch

Bildquelle: ©Shutterstock

Redaktioneller Inhalt wurde von Dr. Daniel Feurstein überprüft. ✓

Dr. Daniel Feurstein
Ausbildung:
  • Biologie-Studium an der Universität Konstanz mit Schwerpunkt Biochemie und Pflanzenphysiologie (2000 bis 2005)
  • Promotion am Lehrstuhl für Human- & Umwelttoxikologie an der Universität Konstanz (2006 bis 2009)
  • Post-Doc am renommierten Scripps Research Institute in Florida, USA (2010 bis 2011)
Berufserfahrung:
  • Study Director Bioanalytical Studies, Celerion Switzerland AG, Schweiz (2012 bis 2014)
  • Gruppenleiter Bioanalytik GxP, Molecular Partners AG, Schweiz (2014 bis 2018)
  • Gründer und CEO von Dr. Feurstein Medical Help GmbH (2017 bis heute)

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